Die Taxonomie der Lernziele wurde ursprünglich in den 1950er Jahren von dem amerikanischen Pädagogen Benjamin Bloom entwickelt. Sie dient als Rahmen für die Klassifizierung von Lernzielen und kognitiven Fähigkeiten und ist in sechs Ebenen unterteilt: Wissen, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Evaluieren und Erschaffen. Diese Taxonomie ist auch heute noch ein wertvolles Werkzeug zur Beurteilung von Lehr- und Lernprozessen.
Die moderne Technologie, speziell die Entwicklung von Language Learning Models (LLMs) wie ChatGPT oder Claude, stellt eine interessante Schnittstelle zur Blooms Taxonomie dar. In diesem Artikel werfen wir einen Blick darauf, inwiefern LLMs die verschiedenen Ebenen der Taxonomie erfüllen können.
Inhaltsverzeichnis
Wissen: Informationen Speichern und Abrufen
Der erste Schritt in Blooms Taxonomie ist das einfache Abrufen von Daten oder Informationen. LLMs wie GPT-4 sind auf diese Aufgabe ausgelegt. Sie können riesige Datenmengen speichern und bei Bedarf abrufen, sei es historisches Wissen, geografische Fakten oder technische Informationen.
Beispiel:
Frage: „Was ist die Hauptstadt von Frankreich?“
LLM-Antwort: „Die Hauptstadt von Frankreich ist Paris.“
Verstehen: Erklären und Interpretieren
Die nächste Ebene ist das Verstehen, wo es darum geht, Informationen zu interpretieren oder zu erklären. LLMs sind nicht nur in der Lage, Fakten abzurufen, sondern können auch komplexere Informationen umschreiben oder vereinfachen.
Beispiel:
Frage: „Was ist die Relativitätstheorie?“
LLM-Antwort: „Die Relativitätstheorie ist ein physikalisches Modell, das beschreibt, wie Raum und Zeit miteinander in Beziehung stehen. Sie wurde von Albert Einstein entwickelt und hat das Verständnis von Gravitation und der Struktur des Universums revolutioniert.“
Anwenden: Nutzung des Wissens in neuen Kontexten
LLMs können auch erlerntes Wissen in neuen Kontexten anwenden. Beispielsweise können sie Anweisungen für spezielle Szenarien geben oder technische Probleme lösen.
Beispiel:
Frage: „Wie brate ich ein Steak?“
LLM-Antwort: „Um ein Steak zu braten, benötigen Sie eine Pfanne, etwas Öl und das Steak selbst. Erhitzen Sie die Pfanne, geben Sie das Öl hinein und legen Sie das Steak in die heiße Pfanne. Braten Sie es von beiden Seiten, bis es den gewünschten Gargrad erreicht hat.“
Analysieren: Zerlegen und Untersuchen
Die Fähigkeit zur Analyse ermöglicht es LLMs, komplexe Informationen zu zerlegen und ihre Bestandteile zu untersuchen. Obwohl LLMs nicht über „Verständnis“ im menschlichen Sinne verfügen, können sie Informationen filtern und sortieren, um relevante Aspekte hervorzuheben.
Beispiel:
Frage: „Warum ist der Himmel blau?“
LLM-Antwort: „Der Himmel erscheint blau aufgrund eines Phänomens namens Rayleigh-Streuung. Dabei werden die kürzeren blauen Wellenlängen des Lichts stärker gestreut als die längeren roten Wellenlängen, wenn sie durch die Erdatmosphäre passieren.“
Evaluieren: Beurteilen und Kritisieren
Die Ebene des Evaluierens ist komplexer und in LLMs nur eingeschränkt vorhanden. Sie können Daten vergleichen und mögliche Schlüsse ziehen, aber ihre „Meinungen“ basieren nicht auf einem Verständnis oder einer Bewertung von Qualität oder Bedeutung.
Beispiel:
Frage: „Ist Recycling effektiv?“
LLM-Antwort: „Recycling hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Es kann die Menge der Abfälle reduzieren und Ressourcen sparen, aber es kann auch energieaufwendig sein. Die Effektivität hängt von verschiedenen Faktoren ab.“
Erschaffen: Erzeugen und Integrieren
Die höchste Ebene, das Erschaffen, erfordert die Fähigkeit, Neues zu schaffen oder Bestehendes zu kombinieren, um einzigartige Ideen oder Produkte hervorzubringen. LLMs können in gewissem Maße kreativ sein, indem sie zum Beispiel Texte generieren, aber ihre „Kreativität“ ist immer noch ein Produkt ihrer Programmierung und der Daten, mit denen sie trainiert wurden.
Beispiel:
Frage: „Schreibe ein kurzes Gedicht über den Herbst.“
LLM-Antwort: „Im Herbstwind tanzen die Blätter,
die Sonne küsst die Erde sanfter.
Ein Mantel aus Gold und Rot,
so kündet der Herbst das Wintergebot.“
Fazit
Während LLMs wie GPT-4 beeindruckende Fähigkeiten in den unteren Ebenen der Blooms Taxonomie zeigen, stoßen sie in den höheren Ebenen an ihre Grenzen. Ihre Leistungen basieren auf statistischen Modellen und Algorithmen, nicht auf einem tiefen Verständnis oder bewussten kreativen Prozess. Dennoch bietet die Technologie faszinierende Einblicke in die Möglichkeiten und Grenzen der künstlichen Intelligenz im Kontext der menschlichen Kognition.